Berufsorientierungsstufe
Aufbauend auf die individuelle Kompetenzentwicklung in den vorangegangenen Schulstufen beginnt mit Eintritt in das 10. Schulbesuchsjahr für unsere Schüler*innen der Prozess ihrer individuellen Zukunfts- und Berufswegeplanung. Regelhaft erstreckt sich diese letzte schulische Phase bis zum 12. Schulbesuchsjahr.
Im Sinne einer ganzheitlichen Förderung werden wichtige Lebensbereiche berufs- und zukunftsbezogen in den Blick genommen, um eine möglichst weitgehende Befähigung zu selbstbestimmter gesellschaftlicher Teilhabe, unter Beachtung der individuellen Aneignungsmöglichkeiten, der persönlichen Bedürfnisse, den Wünschen und Neigungen unserer Schüler*innen, zu erzielen.
„Berufliche und soziale Teilhabe gehören zusammen!“
Für den Berufs- und Zukunftsorientierungsprozess werden im Rahmen der individuellen Förderplanung folglich viele Aspekte im Sinne eines „Integralen Ansatzes“ mitbedacht und in der Gestaltung des Unterrichts in entsprechenden Erfahrungsfeldern vorgehalten: Arbeit und Beruf, Wohnen, Kommunikation, Kulturtechniken, Mobilität, Selbstständigkeitstraining, soziales Leben, Volljährigkeit, Freizeitgestaltung. Der Bildungsauftrag zielt auf die Gesamtentwicklungder Schüler*innen ab. Berufliche Orientierung und Vorbereitung sowie soziales Lernen führen gemeinsam zu einer Handlungskompetenz, die unseren Schüler*innen ein weitegehend selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben im Hinblick auf den nachschulischen Lebensabschnitt ermöglichen soll.
Die Förderung der Selbstständigkeit, das Erleben von Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung im Prozess der Übernahme von Eigenverantwortung prägen diese letzte schulische Phase der jungen Erwachsenen. Eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen Jugendlichen, Eltern (gesetzlichen Betreuer*innen) sowie aller am Übergangsprozess beteiligten Institutionen (Unterstützungssystem) ist in dieser Phase besonders wichtig, um
- Motivation und Bereitschaft zu wecken, die Planung der eigenen Zukunft aktiv zu gestalten
- Zutrauen und Autonomie zu entwickeln
- die Übernahme von Eigenverantwortung zu unterstützen
- das Prinzip von Eigenverantwortung im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung als Heranführung an die Erwachsenen- und Arbeitswelt zu erfahren
- Entwicklungsschritte und die Ablösung von der Schule zum Eintritt in die Arbeitswelt erfahrbar zu gestalten und zu begleiten
Wie gestalten wir den Prozess der Berufs- und Zukunftsorientierung an der FvBS?
Die Vorbereitung und Heranführung an die Arbeitswelt und zukünftige Lebensformen als Erwachsene im Sinne des gesellschaftlichen Teilhabegedankens braucht gezielte Erfahrungsfelder, in denen Schüler*innen sich ausprobieren können, ihr Tun reflektieren, Rückmeldungen erhalten, nächste Lernschritte selbst erkennen und planen lernen.
„Berufsorientierung verstehen wir als individuellen Prozess der Annäherung und Abstimmung zwischen persönlichen Interessen, Wünschen und Kompetenzen des Menschen auf der einen Seite und den Möglichkeiten, Bedarfen und Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt auf der anderen Seite.“
Der Unterricht innerhalb unserer Berufsorientierungsstufe gestaltet sich handlungs- und praxisorientiert. Eine flexible zeitliche Strukturierung trägt dem jeweiligen Individualisierungsgrad unserer Schüler*innen Rechnung. Die Kulturtechniken (Deutsch und Mathematik) werden in der Berufsorientierungsstufe im Klassenunterricht im Kontext zukunftsrelevanter Lerninhalte unterrichtet. Eine ausführliche Beschreibung unserer Praxisangebote finden Sie auf dieser Homepage: Praxistag, Schülerfirma, betriebliche Praktika, Trainingswohnung, Müslibar.
Außerschulische Lernorte gewinnen weiter an Bedeutung, die Erkundung des Sozialraums im Kontext des Erwachsenwerdens rückt in den Mittelpunkt (Nutzung der Trainingswohnung, Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs, Einkäufe, das Kennenlernen von Beratungsangeboten, Behördengänge, Bankgeschäfte, Betriebserkundungen, Praktika, Freizeitaktivitäten, u.v.m.).
Als Lehrkräfte erkennen wir vorhandene Kompetenzen durch eine gezielte Kompetenzfeststellung und Förderdiagnostik. Schüler*innen erproben sich und vertiefen arbeitsmarktrelevante Fähigkeiten und Kenntnisse fachlicher und überfachlicher Art im Rahmen der verschiedenen Erfahrungsfelder und Praxisangebote. Die in den innerschulischen Praxisangeboten (Praxistag, Schülerfirma etc.) angebahnten und erworbenen Kompetenzen werden in betrieblichen Praktika erprobt, weiter vertieft und dokumentiert. Regelhaft finden für alle Schüler*innen zwei Praktika während der Berufsorientierungsstufenzeit statt. Alle Schüler*innen lernen in einem Praktikum die für ihren Wohnort zuständige Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) kennen. Für Schüler*innen mit einem Anspruch auf eine soziale statt berufliche Rehabilitation finden Praktika in Tagesförderstätten statt.
Darüber hinaus ermöglichen wir unseren Schüler*innen - unter der Voraussetzung von Eigenmotivation, orientiert an der vorhandenen Mobilität im jeweiligen Sozialraum - weitere individuelle betriebliche Praktika in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes, um ihre Potentiale weiter zu fördern. Betriebliche Erfahrungen unterstützen den Prozess der Selbsteinschätzung, geben unseren Schüler*innen Anhaltspunkte, ihren Lernprozess (Reflexion, Dokumentation, Portfolio) verantwortungsvoll weiter zu gestalten, nächste Schritte der individuellen Berufswegeplanung zu erschließen sowie eine Entscheidungsfindung am Ende der Schulzeit einzuleiten.
Unsere Berufsorientierungsstufe versteht sich im Kontext eines individuell zu gestaltenden Übergangs in die nachschulische Lebenswelt als Informationszentrum für Jugendliche und Erwachsene. Seit vielen Jahren pflegen wir eine vertiefte Zusammenarbeit mit regionalen Akteuren, die für den Übergang in eine berufliche Anschlussperspektive wichtig sind. Diese sind im Wesentlichen: Die Rehaberatung der Agentur für Arbeit, Bad Homburg, der Integrationsfachdienst Wiesbaden, Fachkräfte für berufliche Integration EVIM/PW, Sozialdienst WfbM Schlockerhof in Hattersheim, Sozialdienst Praunheimer Werkstätten in Frankfurt, Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes, Berufsbildungswerk Südhessen in Karben, usw.
Bereits während der Schulzeit werden sowohl in Praktikumsphasen als auch in individuellen Berufswegekonferenzen unsere regionalen Netzwerkpartner in den Prozess der individuellen Berufswegeplanung für einen gelingenden Übergangsprozess miteinbezogen.
Darüber hinaus kooperieren wir mit vielen regionalen Trägern von Beratungs-, Wohn-, Freizeit- und außerschulischen Bildungsangeboten. Unsere Schüler*innen lernen auf diese Weise bereits während der letzten Schulphase zukünftige Ansprechpartner, Begleiter, Beratungs- und Freizeitangebote kennen und nutzen sowie ihre eigene Zukunfts- und Berufsperspektive aktiv zu gestalten.
Am Ende des letzten Schulbesuchsjahres erfolgt in einer abschließenden Berufswegekonferenz innerhalb der Schule mit Anwesenheit und Beratung durch die Agentur für Arbeit als zukünftiger Kostenträger, die Antragstellung zur Aufnahme in eine berufliche Bildungsmaßnahme/Qualifizierungsphase. Teilnehmer*innen einer Berufswegekonferenz sind jeweils: Schüler*in, Eltern/gesetzl. Betreuer*in, Reha-Beratung, Sozialdienst WfbM oder Fachkräfte für berufliche Integration und die für den/die Schüler*in zuständige Lehrkraft.
Seit 2012 nahmen wir am Förderprogramm „Initiative Inklusion“ (Förderung von Übergängen für wesentlich beeinträchtige Menschen) teil, dessen Verstetigung in 2018 in den Erlass „ZABIB“ mündete. In diesem Kontext verfügen wir über langjährige Erfahrungen in der Förderung von Übergängen aus der Schule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in verschiedene sich anschließende Qualifizierungsmaßnahmen, die in der Zielrichtung eine (sozialversicherungspflichtige) Beschäftigung in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes verfolgen.
Innerhalb der Berufsorientierungsphase nimmt das Thema „Wohnen“ im Rahmen der Vorbereitung auf ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Erwachsenenleben einen weiteren wichtigen Schwerpunkt ein. Die Zielsetzungen für Schüler*innen im Erwerb von Kompetenzen im Hinblick auf die eigene Wohnperspektive sind vielfältig und leiten sich grundlegend aus den Kompetenzbereichen „soziale Beziehungen“, „Sprache und Kommunikation“, „Selbstversorgung“, „Gesundheitsvorsorge“ „Leben in der Gesellschaft“ und „Mobilität“ ab.
Seit April 2018 steht der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule eine Trainingswohnung als realistisches Erfahrungsfeld für unsere Schüler*innen in der nahegelegenen Berliner-Straße zur Verfügung. Die gemeinnützige Zuhause Mobil GmbH ist als unser Kooperationspartner zu 50% an den Miet- und Nebenkosten beteiligt sowie konzeptionell mit der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule vernetzt.